Über den großen Teich -Teil 1: In der Luft und am Wasser

"Have no Fear". Buchstabe für Buchstabe hat sich mein latein-amerikanischer Nebensitzer diesen Spruch auf seine zehn Finger tätowiert. Seine Handrücken sind dauerhaft mit Totenköpfen bemalt. Geil, Bandenkrieg bevor ich überhaupt angekommen bin. Doch irgendwie wirkt dieser 1,60m große, übergewichtige und sehr gepflegte Herr alles andere als gefährlich. Nach dem Start verschwindet das Unwohlsein komplett, da auf dem Nachbarbildschirm Disney-Filme laufen. Dann passiert erstmal lange nichts.

 

Als wir endlich den Atlantik überquert haben, lohnt es sich auch wieder einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Besonders beeindruckend ist die Landschaft nach den Rocky Mountains.

Erst von oben betrachtet, wird einem das Ausmaß dieses Ödlands bewusst. Lange fliegen wir über Sand, Felsen und Schnee hinweg. Dazwischen vereinzelte runde, grüne Felder, die die Frage aufwerfen, woher das Wasser für die kreisende Kunstberegnung kommt.

Ich gehe der Frage nicht lange nach, da der Wind aus den Wolken fantastische Gebilde formt, deren Schatten dieser kargen Landschaft ein klein bisschen Leben einhauchen. Einaudis "Divenire" liefert die perfekte Untermalung, um sich einem bizarren Paartanz zwischen Himmel und Erde hinzugeben.

 

 

"Mögens au en Kaffeee?" unterbricht die Stewardess meine Träumerei. 

Gelandet.

Nun geht es zur Immigration, von der mir Patrick schon einige beunruhigende Geschichten erzählt hat. Doch die Einreise verläuft problemlos. Wir schnappen unser Gepäck und machen uns auf zur Autovermietung.

Am Tresen stellt uns ein völlig übermüdeter Herr mehrmals dieselbe Frage und weiß danach immer noch nicht wie wir heißen.

Trotzdem bekommen wir einen Autoschlüssel.

 

Nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir das Hotel für die erste Nacht. An diesem Tresen steht eine Frau, die uns aus Frust über den kaputten Kreditkartenleser offenbart, dass sie schon drei Mal versucht hat zu kündigen, da sie den Laden hier mies findet.

Mir fällt ein alter Witz ein:

Unterhalten sich zwei Männer.

Sagt der eine zum Anderen: „Gestern wollt ich mit meiner Freundin Schlussmachen.

Und?“ fragt der Andere.

Sie hat Nein gesagt.

 

Dann irgendwann können wir in unser Zimmer und genießen ein Abendessen, welches aus M&Ms und Wasser besteht.

Zeit zu schlafen…

Sowas wie einen Wecker brauchen wir nicht. Jetlag, olé!

Das Frühstück aus Omelett, Zimtschnecke, cevapciciähnlicher Wurst und Banane wappnet perfekt für die lange Fahrt Richtung Yosemite. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir Landschaften, die ein wenig ans Auenland erinnern. Keine Ahnung, ob ans Auenland ein Gebirge anschließt. Wir gelangen am Ende der grünen Idylle jedenfalls an eines. 

Der Yosemite-Park ist wohl einer der bekanntesten Flecken Erde, welcher für ungezähmte Natur steht. Besichtigen kann man sie auf vielseitige Art.
Auf den geteerten Strecken des Nationalparks können Familien am rauschenden Fluss entlangschlendern. Für halbwegs fitte Menschen wie Patrick und mich gibt es durchaus anstrengende Touren über holprige Trails, die zu so vielen schönen Orten führen, dass ich es irgendwann aufgebe, ungläubig den Kopf zu schütteln.
Und für die Wahnsinnigen gibt es El Capitan, einen richtig großen Stein, der schwer beeindruckt

Tag Zwei beginnt schon um 4:37 Uhr. Wenigstens kann ich als Mann nun auch einmal meine biologische Uhr wahrnehmen und sie zeitgleich verdammen.

Gegen acht schmeißt mich Patrick am Beginn des Trails zu den Nevada-Falls aus dem Auto. Bis auf eine Truppe junger Mädels, die bei neun Grad in Leo-Shorts, Nike-Air und hautengen Tops loszieht, ist niemand zu entdecken.

Am ersten -unfassbar schönen- Wasserfall kommt es zum Showdown zwischen dem aufgewirbelten Wasser und der zeitgemäßen Damenmode. Wobei Showdown übertrieben ist, denn der Wasserfall durchnässt trotz Regenjacke und Wanderstiefeln sogar mich.
Ich lasse die Begossenen hinter mir und steige weiter empor.

 

Oben angekommen, muss ich wieder beginnen den Kopf zu schütteln.
Ganz im Stile meiner Schüler denke ich mir immer wieder nur: "Krass, einfach nur krass."

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